Wie schon geschrieben. Ich sehe in dem Ausdruck nichts negatives und er wird gerne von politischen Parteien als positive Propaganda verwendet.
Eben, deshalb muss man der Propaganda den Boden entziehen und zeigen, was Bürgerlichkeit eigentlich bedeutet. Und deshalb ist die Kritik am Faschismus und am Nationalsozialismus, wie man sie vom demokratischen Standpunkt aus betrachtet, auch derart verlogen und falsch und kann sich nicht vorstellen, am Nationalsozialismus etwas schlimmes zu sehen, außer man biegt den Schaden für alle die, die am Volk keinen Anteil haben wollten und durften, als Schaden für das Volk selbst um.
In Italien wurden dafür Marxisten und Intellektuelle (sofern sie liberale waren) verfolgt und hingerichtet. Ab 1930 begann jedoch auch hier eine Verschärfung der Judenpolitik. Und ab 1938 wurden sie auch hier verfolgt und vernichtet. Er hatte keine Mordfabriken, weil die zu dem Zeitpunkt nicht mehr nötig waren. Deutschland hatte ja schon genug davon. Das macht die Sache aber nicht besser. Polen hatte sehr viele dieser KZs. Nach deiner Logik müssten sie ebenfalls schlimmer als Mussolini gewesen sein.
Hitler forderte, wie von allen seinen europäischen verbündeten, die Auslieferung der Juden, in den Vernichtungslagern im Generalgouvernement wurden sie dann umgebracht. Manche der - wohlgemerkt faschistischen - Verbündeten hatten ihre Bedenken gegenüber diesem Massenmord und haben ihn verzögert. Anders etwa die Kollaborateure in Frankreich: Die haben ihre Juden ans Messer geliefert, um Franzosen zu schützen. Einzig heraushebenswert ist Dänemark, das 99% seiner Juden vor dem deutschen Zugriff retten konnte.
Zu Polen: Selbstverständlich waren die Vernichtungslager deutsche Erfindungen, nur eben auf polnischem Boden, zu dem Zeitpunkt war Polen aber längst abgewickelt. Was aber in der Tat stimmt: Polen sind, heute wie damals, zu großen Teilen leidenschaftliche Antisemiten. Als die Juden, die meinten, die Vernichtung überlebt zu haben, in ihre sogenannte Heimat nach Polen zurückkehrten, wurden sie auch dort verfolgt und missachtet.
Warum argumentierst du dann mit dem Wahlgang, wenn er doch egal ist?
Er argumentiert mit Zustimmung. Die muss nicht durch eine Wahl artikuliert werden. Es reicht, wenn das Volk sich ganz freiwillig am antisemitischen Raubzug beteiligt. Übrigens, bereits 1943 gab es die Legende, das Volk hätte vom Massenmord nicht gewusst, also noch bevor er Zuende war. Verdrängung ist auch eine Form der Zustimmung. Man hätte ja auch was machen können, aber stattdessen formuliert man lieber Legenden.
1. Es gibt keinen Mord aus Notwehr. Das ist Totschlag.
2. War die Exikution der Marxisten, der Roma, der Sinti, der Zeugen Jehovas und der "Asozialen" (O-Ton von damals) jetzt etwa Notwehr?
3. Unter Tötung verstehe ich das oberste Tötungsdelikt nach Strafgesetzbuch. Den Mord. Und das war das alles.
Das ist irrelevant für die Beantwortung des Zugrundeliegenden Problems: Ist Gewalt immer gleich Gewalt? Ist der allierte Angriff auf Deutschland genauso zu bewerten wie der deutsche Holocaust? Da ändern auch juristische Spitzfindigkeiten nichts.
Nein, Gewalt ist nicht gleich Gewalt. Dann müsstest du ja das Vorgehen der Staatsgewalt gegen Randalierer und Terroristen genauso bewerten wie die Verfolgung von Juden, Marxisten, Sinti und Roma und Zeugen Jehovas im dritten Reich. Hm.
Zu 1.: Aber auf Erlaubnis von Franco hin. Er hat die Sache sogar gedeckt und es José Antonio Aguirre in die Schuhe geschoben.
Zu 2.: Was jagt es bitteschön dann? Würmer? Kobolde? Die Personen die gejagt werden sind immernoch Teil des Volkes.
Vor allem da man deine Argumentationslogik auch auf Deutschland ummünzen könnte. Alle die hier gejagt und vernichtet wurden waren ja nach deiner Logik nicht Teil des Volkes. Die Sache steht also nicht im Maßstab zu sich selbst.
Nein, sind sie nicht. Sie werden durch Verfolgung gewaltsam aus dem Volk ausgeschlossen. Die Deutungshoheit, wer Volk ist und wer nicht, liegt bei dem Mob, der den Volkswillen dann auch exekutiert. Du sagst ja völlig richtig: Die Juden haben sich nicht selbst verfolgt, sie waren nicht gleichzeitig Täter und Opfer. Täter war das deutsche Volk.
Man kann es aber nicht alleine auf das zurückführen. Und man kann nicht damit argumentieren, dass es nur dadurch zustande gekommen wäre.
Warum denn nicht?
Die Intensität der Zwangsarbeit und die schlechte Behandlung lassen den Schluss nahe, dass genau das bezweckt wurde. Und selbst wenn nicht. Es kam aufs selbe hinaus und macht es nicht besser.
Doch, der Zweck ändert etwas, er macht die instrumentelle Vernunft des Kapitalismus, die in der Tat für sich schon verabscheuungswürdig ist, zu völkischem Wahn. Die Vernichtung der Juden wurde selbstzweckhaft betrieben. Die Hinrichtungen an Kommunisten und anderen Dissidenten hatten einen (natürlich ebenfalls falschen) Zweck, und zwar den, den jede politische Verfolgung hat.
Ich weiß nicht was dein Problem ist, aber woran liegt es, dass du ständig an Definitionen herumspielen musst? Europa ist Europa. Der Kontinent nicht die mythologische Sagenfigur. Es gibt sonst kein anderes.
Nicht an Definitionen, an begrifflichen Bestimmungen. Europa als geographisch beliebig definiertes Gebiet wird wohl nicht gemeint sein, oder?
Tötung ist nicht gleich Tötung: Genau für diesen Fall haben wir verschiedene Begriffe erfunden. Daher ergibt sich das Problem nicht.
Nein, nicht erfunden, unterschiedliche Sachverhalte wurden ihrem Wesen gemäß unterschiedlich begrifflich bestimmt. Die begriffliche Bestimmung ist eine Reflexion auf die wahre Welt, wie sie uns gegenübertritt, sie ist nicht beliebig.
Es bringt uns für die Diskussion folgendes: Man kann bürgerliche, faschistische Diktaturen wie die von Franco und Mussolini qualitativ vom nationalsozialistischen Wahn begrifflich unterscheiden. Man kann einer Relativierung der Verbrechen des deutschen Volkes und einer Geschichtsrevision entgegen treten, indem man daran erinnert, wo die Unterschiede zwischen antisemitischem Massenmord und der Hinrichtung von Dissidenten liegen. Übrigens auch ohne sich positiv auf irgendwas davon zu beziehen, im Gegenteil, das ist eine vernichtende Kritik an allem, was als bürgerlich
und als seine Überwindung daherkommt.
Weder das bürgerliche Lager noch die linke Antiimperialismustheorie des Ostblocks haben die Shoa ausreichend theoretisch durchdrungen. Es wird Zeit, dass das mal nachgeholt wird, findest du nicht?
Edit: Übrigens, juristisch war der Massenmord wohl kein Mord, es fehlte die Heimtücke, es wussten ja alle, was läuft. Wir bewegen uns aber nicht im Bereich des juristisch-definierten, sondern im Bereich des begrifflich bestimmten.