Orestikon
Gast
Fortsetzung von hier.
Na aber gerne.
Struktureller Antisemitismus bedeutet: Die objektive Struktur in jenen Gesellschaften, die nach der kapitalistischen Produktionsweise produzieren, bringt den Antisemitismus hervor. Im Kapitalismus ist die Herrschaft abstrakt, das bedeutet: Anstelle einem Herren direkt und persönlich unterworfen zu sein und sich seiner Herrschaft ausgesetzt zu sehen, befindet sich jedermann in einem sachlichen, unpersönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu jedem anderen: Dem Ausbeutungsverhältnis zwischen Arbeiter und Kapitalist.
Der Kapitalist ist aber nicht irgendein gehässiger Mensch mit Zigarre und Zylinder, auch nicht der direkte Vorgesetzte eines Arbeiters. Da sich jeder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jedem anderen befinden kann, ist es völlig unerheblich, dass dieser Kapitalist mehr von meiner Arbeit profitiert als der andere. Herrschaft und Ausbeutung sind und bleiben im Kapitalismus unpersönlich und abstrakt, besonders in der Demokratie.
Nun ist es für jedermann einfach zu merken, dass es Ausbeutung und Herrschaft gibt. Das abstrakte Verhältnis wird aber nicht durchschaut. Es bildet sich Ideologie: Zum Beispiel denken einige Menschen, dass der Grund, warum ihr "Arbeitgeber" ihnen kündigen muss, in den Konkurrenzbetrieben zu suchen ist: Der eigene Betrieb ist das Opfer des "ungezügelten Raubtierkapitalismus", die Bösen sind die Konkurrenzbetriebe oder die "Heuschrecken" aus dem Investmentgeschäft. Das Ausbeutungsverhältnis wird also nicht zwischen Arbeiter und Kapitalist gesehen, stattdessen identifiziert man sich mit dem eigenen Betrieb und denkt, die Ausbeutung würde durch andere, unmoralisch und gierig agierende Kapitalisten stattfinden.
Bis hierhin ist dieses Missverständnis erst ein einfacher Fehler im Denken, der sich klären ließe, Antisemitismus ist hier noch nicht zu sehen. Auf die "Heuschrecken" und das "Finanzkapital" zu schimpfen, ist verkürzte Kapitalismuskritik und durchschaut den Ausbeutungszusammenhang des Kapitalverhältnisses nicht, aber von Antisemitismus kann man hier noch nicht sprechen.
Es ist zu bemerken, dass dieses abstrakte und unpersönliche Ausbeutungsverhältnis den Menschen Angst macht. Da ein Sachverhalt, der wesentlich für das Leben der allermeisten Menschen ist, unverstanden bleibt, kommt es zur Mystifizierung des Sachverhalts. Die Erklärung der Ausbeutung, wie Marx sie erfolgreich geliefert hat, wird nicht gekannt, stattdessen erscheinen einem die abstrakten Sachzwänge als böse, dämonische Mächte. Um den Dämon zu bannen, braucht er einen Namen und ein Gesicht: Was abstrakt nicht verstanden wird, muss ins Konkrete gebracht werden, damit es erstens greifbar und zweitens angreifbar ist. Der Kapitalismus braucht eine Personifizierung, die anschließend dämonisiert wird.
Die Projektionsfläche, in der das abstrakte Kapitalverhältnis greifbar werden soll, ist historisch der Jude. Der Grund dafür ist im christlichen Antijudaismus und im Zinsverbot zu sehen. Im Zins wird die Irrationalität des Kapitalismus klar sichtbar und aus historischen Gründen ist die Assoziation zu Zins, Wucher und Finanzkapital immer der Jude gewesen. Man will sich der Ausbeutung durch das Kapital entledigen, doch anstelle das Kapital abzuschaffen, regt sich der Wunsch nach der physischen Vernichtung des für das Unheil der Welt ausgemachten Juden.
An dieser Stelle ist der Antisemitismus nicht mehr nur Ideologie - Ideologie ist falsch, doch sie bezieht sich auf materielle Tatsachen - sondern bereits Wahn, da dieses Gerücht über die Juden nichts mehr mit dem realen Verhalten der Juden zu tun hat.
Historisch sieht man etwa im Nationalsozialismus diese Antisemitismustheorie, nach der Antisemitismus eben nicht einfach nur Rassismus gegen Juden ist, wunderbar bestätigt. Die antisemitische Hetze zielte immer auf den Unterschied zwischen dem guten, "schaffenden" Industriekapital und dem bösen, raffenden Finanzkapital ab. Aktuell sieht man eine Renaissance dieses Denkens, im Schatten der Finanzkrise werden wieder allseits Schuldige gesucht. Statt die Struktur des Kapitalismus zu betrachten und zu erkennen, dass zyklische Überproduktionskrisen Systemimmanent sind, sucht man wieder ein Opferlamm, das man schalchten kann: Gierige Banker, Heuschrecken und im fortgeschrittenen Stadium des Konkretionswahns eben Israel und die USA oder direkt die jüdische Weltverschwörung.
Anstelle die Banker an den Laternen aufzuhängen, sollte das Kapitalverhältnis lieber ein für allemal beseitigt werden. Denn solange es das Kapitalverhältnis gibt, wird es immer wieder zu antisemitischen Denkformen kommen. Diese müssen sich dabei gar nicht zwangsläufig auf Juden richten: Beim Völkermord in Ruanda etwa, einem der schlimmsten der Nachkriegsgeschichte, wurde die reiche Kaste der Tutsi durch die arme Kaste der Hutu verfolgt und Millionenfach umgebracht. Auch bei Tutsi und Hutu erkannte man ähnlich wie bei der Shoah den Grund der Verfolgung im personifizierten Kapitalverhältnis. Es gab Gerüchte und Stereotypen, die ganz ähnlich zu denen des Antisemitismus waren. Der wesentliche Unterschied zwischen der Verfolgung der Tutsi und der der Juden war allerdings, dass das Kapitalverhältnis tatsächlich in den Tutsi personifiziert werden konnte, bei den Juden war das anders, die europäischen Juden waren zu allergrößten Teilen arme Bauern und in Deutschland Mittelständler. Allerdings zeigt sich hier deutlich, dass das Leid, das der Kapitalismus schafft, nicht gelöst werden kann, wenn man die Profiteure hinrichtet, die Hutu sind auch heute noch arm, es kam einfach der nächste Ausbeuter.
Nochmal zum Unterschied zwischen strukturellem und manifestem Antisemitismus: Von strukturellem Antisemitismus wird gesprochen, um diese Denkform, die zum Antisemitismus führte, sich aber auch andere Projektionsflächen suchen kann, aus der Struktur des Kapitalismus zu erklären. Der handfeste Antisemitismus, wie er im dritten Reich gezeigt wurde, beschränkt sich nicht auf das Kapitalverhältnis, hier fließen noch viel mehr Wahnbilder ein. Hier erscheint der Jude nicht nur als Herr über das Kapitalverhältnis, sondern als Herr über alles: Man denke auch an die gefälschten Protokolle der Weisen von Zion, die eine jüdische Weltverschwörung gigantischen Ausmaßes herbeihalluziniert. Oder auch an die Kindesmordlegende, an die Legende vom Blutritual und so weiter.
Die Abgrenzung zum Antizionismus ist die, dass Antizionismus erstmal nur die Feindschaft gegenüber dem Resultat des Zionismus, Israel, bedeutet. Feindschaft gegenüber einem Staat ist noch nichts anrüchiges, Staaten sind Gewaltapparate, die auf den Müllhaufen der Geschichte zu landen haben. Allerdings wird dieser Antizionismus meistens nicht im Rahmen einer allgemeinen Staatskritik betrieben. Stattdessen will man gerade auf Israel hinaus. Während man jedem anderen Staat jede Sauerei durchgehen lässt, wird der Jude unter den Staaten besonders beäugt. Unter dem Antizionismus versteckt sich in vielen, vielen Fällen nur ein aseptischer Antisemitismus, der anstelle des gesellschaftlich sanktionierten Gerüchts gegen Juden lieber mit dem Gerücht gegen den Judenstaat vorlieb nimmt.
Die Parteinahme für die Palästinenser ist dabei in aller Regel pure Heuchelei. Im Libanon etwa vegetieren die Palästinenser seit 60 Jahren unter miesesten Bedingungen vor sich hin, ihnen wird die libanesische Staatsbürgerschaft nicht gegeben und sie werden im Alltag rassistisch diskriminiert. In Syrien sind die Verhältnisse für palästinensische Flüchtlinge so schlecht, dass sie über die Grenze stürmen und sich festnehmen lassen, weil sie in israelischen Abschiebegefängnissen bessere Verhältnisse und die Wahrung der Menschenrechte vorfinden, in Syrien hingegen nicht. Niemals hört man von einem selbsternannten Freund der Palästinenser etwas darüber, Sündenbock ist Israel. So sehr es den Palästinensern zu wünschen wäre, in menschenwürdigen Bedingungen leben zu können, sie haben eindeutig die falschen Freunde.
Ich möchte aber nicht abstreiten, dass es auch Antizionisten gibt, die keine Antisemiten sind und es auch mit den Palästinensern ehrlich meinen. Das ist nur leider sehr selten der Fall.
Mehr Material gibt's hier:
Fetischismus und Antisemitismus
Antisemitismus und Finanzkapital, eine gute Erklärung der Funktionsweise des Kapitals und der Versuch der Erklärung des Antisemitismus, Beispielhaft gezeigt am Denken des ehemaligen Antideutschen und heutigen Linksnationalisten Jürgen Elsässer.
Mehr zur antisemitischen Projektion
Israel und Antisemitismus, heute in Deutschland.
Antirassistischer Antisemitismus, im moralisch einwandfreien Gewand.
Kritik des Antisemitismus, MP3
Konkretionswahn, MP3
Deutsche Arbeit, MP3
Deutsche Projektionen, Kritik des Antisemitismus und des Antizionismus
Ansonsten sind zu empfehlen: Die Antisemitismustheorie von Horkheimer/Adorno in der Dialektik der Aufklärung und die von Moishe Postone.
(Ich erwarte natürlich von niemandem, das alles zu lesen und zu hören. Aber wer ich dafür interessiert, findet hier auf jeden Fall Quellen.)
Zitat von Orestikon
Die materielle Grundlage des Antisemitismus ist der Kapitalismus, nicht die Juden.
Zitat:
Ich leite den Antisemitismus nicht aus der Bosheit des Menschen ab, sondern aus der Struktur des Kapitalismus.
Cancelot
Nicht nur du, ist hier hinzuzufügen. Vielleicht solltest du an dieser Stelle wirklich grundsätzlich diese marxistische Theorie erklären. Ich möchte wetten, dass die Allermeisten nicht wirklich die verschiedenen Begriffe in die richtige Relation bringen und somit hier ständig Missverständnisse produziert werden.
Also: was ist "Struktureller Antisemitismus", wie sieht Marx die Einbindung in den Kapitalismus, wie sieht die Abgrenzung zu "Antizionistisch" und zu "Judenfeindlichkeit" aus. Diese Begriffe werden ja ständig verwechselt.
(ich empfehle auch jeweils ein verständliches Beispiel (der Holocaust an Juden im 3. Reich z.B. war ja kein Ergebnis eines strukturellen Antisemitismus)
Danach können sich dann Marek und die anderen aussuchen, welcher der Begriffe zu ihnen passt, oder warum keiner passt.
Na aber gerne.
Struktureller Antisemitismus bedeutet: Die objektive Struktur in jenen Gesellschaften, die nach der kapitalistischen Produktionsweise produzieren, bringt den Antisemitismus hervor. Im Kapitalismus ist die Herrschaft abstrakt, das bedeutet: Anstelle einem Herren direkt und persönlich unterworfen zu sein und sich seiner Herrschaft ausgesetzt zu sehen, befindet sich jedermann in einem sachlichen, unpersönlichen Abhängigkeitsverhältnis zu jedem anderen: Dem Ausbeutungsverhältnis zwischen Arbeiter und Kapitalist.
Der Kapitalist ist aber nicht irgendein gehässiger Mensch mit Zigarre und Zylinder, auch nicht der direkte Vorgesetzte eines Arbeiters. Da sich jeder in einem Abhängigkeitsverhältnis zu jedem anderen befinden kann, ist es völlig unerheblich, dass dieser Kapitalist mehr von meiner Arbeit profitiert als der andere. Herrschaft und Ausbeutung sind und bleiben im Kapitalismus unpersönlich und abstrakt, besonders in der Demokratie.
Nun ist es für jedermann einfach zu merken, dass es Ausbeutung und Herrschaft gibt. Das abstrakte Verhältnis wird aber nicht durchschaut. Es bildet sich Ideologie: Zum Beispiel denken einige Menschen, dass der Grund, warum ihr "Arbeitgeber" ihnen kündigen muss, in den Konkurrenzbetrieben zu suchen ist: Der eigene Betrieb ist das Opfer des "ungezügelten Raubtierkapitalismus", die Bösen sind die Konkurrenzbetriebe oder die "Heuschrecken" aus dem Investmentgeschäft. Das Ausbeutungsverhältnis wird also nicht zwischen Arbeiter und Kapitalist gesehen, stattdessen identifiziert man sich mit dem eigenen Betrieb und denkt, die Ausbeutung würde durch andere, unmoralisch und gierig agierende Kapitalisten stattfinden.
Bis hierhin ist dieses Missverständnis erst ein einfacher Fehler im Denken, der sich klären ließe, Antisemitismus ist hier noch nicht zu sehen. Auf die "Heuschrecken" und das "Finanzkapital" zu schimpfen, ist verkürzte Kapitalismuskritik und durchschaut den Ausbeutungszusammenhang des Kapitalverhältnisses nicht, aber von Antisemitismus kann man hier noch nicht sprechen.
Es ist zu bemerken, dass dieses abstrakte und unpersönliche Ausbeutungsverhältnis den Menschen Angst macht. Da ein Sachverhalt, der wesentlich für das Leben der allermeisten Menschen ist, unverstanden bleibt, kommt es zur Mystifizierung des Sachverhalts. Die Erklärung der Ausbeutung, wie Marx sie erfolgreich geliefert hat, wird nicht gekannt, stattdessen erscheinen einem die abstrakten Sachzwänge als böse, dämonische Mächte. Um den Dämon zu bannen, braucht er einen Namen und ein Gesicht: Was abstrakt nicht verstanden wird, muss ins Konkrete gebracht werden, damit es erstens greifbar und zweitens angreifbar ist. Der Kapitalismus braucht eine Personifizierung, die anschließend dämonisiert wird.
Die Projektionsfläche, in der das abstrakte Kapitalverhältnis greifbar werden soll, ist historisch der Jude. Der Grund dafür ist im christlichen Antijudaismus und im Zinsverbot zu sehen. Im Zins wird die Irrationalität des Kapitalismus klar sichtbar und aus historischen Gründen ist die Assoziation zu Zins, Wucher und Finanzkapital immer der Jude gewesen. Man will sich der Ausbeutung durch das Kapital entledigen, doch anstelle das Kapital abzuschaffen, regt sich der Wunsch nach der physischen Vernichtung des für das Unheil der Welt ausgemachten Juden.
An dieser Stelle ist der Antisemitismus nicht mehr nur Ideologie - Ideologie ist falsch, doch sie bezieht sich auf materielle Tatsachen - sondern bereits Wahn, da dieses Gerücht über die Juden nichts mehr mit dem realen Verhalten der Juden zu tun hat.
Historisch sieht man etwa im Nationalsozialismus diese Antisemitismustheorie, nach der Antisemitismus eben nicht einfach nur Rassismus gegen Juden ist, wunderbar bestätigt. Die antisemitische Hetze zielte immer auf den Unterschied zwischen dem guten, "schaffenden" Industriekapital und dem bösen, raffenden Finanzkapital ab. Aktuell sieht man eine Renaissance dieses Denkens, im Schatten der Finanzkrise werden wieder allseits Schuldige gesucht. Statt die Struktur des Kapitalismus zu betrachten und zu erkennen, dass zyklische Überproduktionskrisen Systemimmanent sind, sucht man wieder ein Opferlamm, das man schalchten kann: Gierige Banker, Heuschrecken und im fortgeschrittenen Stadium des Konkretionswahns eben Israel und die USA oder direkt die jüdische Weltverschwörung.
Anstelle die Banker an den Laternen aufzuhängen, sollte das Kapitalverhältnis lieber ein für allemal beseitigt werden. Denn solange es das Kapitalverhältnis gibt, wird es immer wieder zu antisemitischen Denkformen kommen. Diese müssen sich dabei gar nicht zwangsläufig auf Juden richten: Beim Völkermord in Ruanda etwa, einem der schlimmsten der Nachkriegsgeschichte, wurde die reiche Kaste der Tutsi durch die arme Kaste der Hutu verfolgt und Millionenfach umgebracht. Auch bei Tutsi und Hutu erkannte man ähnlich wie bei der Shoah den Grund der Verfolgung im personifizierten Kapitalverhältnis. Es gab Gerüchte und Stereotypen, die ganz ähnlich zu denen des Antisemitismus waren. Der wesentliche Unterschied zwischen der Verfolgung der Tutsi und der der Juden war allerdings, dass das Kapitalverhältnis tatsächlich in den Tutsi personifiziert werden konnte, bei den Juden war das anders, die europäischen Juden waren zu allergrößten Teilen arme Bauern und in Deutschland Mittelständler. Allerdings zeigt sich hier deutlich, dass das Leid, das der Kapitalismus schafft, nicht gelöst werden kann, wenn man die Profiteure hinrichtet, die Hutu sind auch heute noch arm, es kam einfach der nächste Ausbeuter.
Nochmal zum Unterschied zwischen strukturellem und manifestem Antisemitismus: Von strukturellem Antisemitismus wird gesprochen, um diese Denkform, die zum Antisemitismus führte, sich aber auch andere Projektionsflächen suchen kann, aus der Struktur des Kapitalismus zu erklären. Der handfeste Antisemitismus, wie er im dritten Reich gezeigt wurde, beschränkt sich nicht auf das Kapitalverhältnis, hier fließen noch viel mehr Wahnbilder ein. Hier erscheint der Jude nicht nur als Herr über das Kapitalverhältnis, sondern als Herr über alles: Man denke auch an die gefälschten Protokolle der Weisen von Zion, die eine jüdische Weltverschwörung gigantischen Ausmaßes herbeihalluziniert. Oder auch an die Kindesmordlegende, an die Legende vom Blutritual und so weiter.
Die Abgrenzung zum Antizionismus ist die, dass Antizionismus erstmal nur die Feindschaft gegenüber dem Resultat des Zionismus, Israel, bedeutet. Feindschaft gegenüber einem Staat ist noch nichts anrüchiges, Staaten sind Gewaltapparate, die auf den Müllhaufen der Geschichte zu landen haben. Allerdings wird dieser Antizionismus meistens nicht im Rahmen einer allgemeinen Staatskritik betrieben. Stattdessen will man gerade auf Israel hinaus. Während man jedem anderen Staat jede Sauerei durchgehen lässt, wird der Jude unter den Staaten besonders beäugt. Unter dem Antizionismus versteckt sich in vielen, vielen Fällen nur ein aseptischer Antisemitismus, der anstelle des gesellschaftlich sanktionierten Gerüchts gegen Juden lieber mit dem Gerücht gegen den Judenstaat vorlieb nimmt.
Die Parteinahme für die Palästinenser ist dabei in aller Regel pure Heuchelei. Im Libanon etwa vegetieren die Palästinenser seit 60 Jahren unter miesesten Bedingungen vor sich hin, ihnen wird die libanesische Staatsbürgerschaft nicht gegeben und sie werden im Alltag rassistisch diskriminiert. In Syrien sind die Verhältnisse für palästinensische Flüchtlinge so schlecht, dass sie über die Grenze stürmen und sich festnehmen lassen, weil sie in israelischen Abschiebegefängnissen bessere Verhältnisse und die Wahrung der Menschenrechte vorfinden, in Syrien hingegen nicht. Niemals hört man von einem selbsternannten Freund der Palästinenser etwas darüber, Sündenbock ist Israel. So sehr es den Palästinensern zu wünschen wäre, in menschenwürdigen Bedingungen leben zu können, sie haben eindeutig die falschen Freunde.
Ich möchte aber nicht abstreiten, dass es auch Antizionisten gibt, die keine Antisemiten sind und es auch mit den Palästinensern ehrlich meinen. Das ist nur leider sehr selten der Fall.
Mehr Material gibt's hier:
Fetischismus und Antisemitismus
Antisemitismus und Finanzkapital, eine gute Erklärung der Funktionsweise des Kapitals und der Versuch der Erklärung des Antisemitismus, Beispielhaft gezeigt am Denken des ehemaligen Antideutschen und heutigen Linksnationalisten Jürgen Elsässer.
Mehr zur antisemitischen Projektion
Israel und Antisemitismus, heute in Deutschland.
Antirassistischer Antisemitismus, im moralisch einwandfreien Gewand.
Kritik des Antisemitismus, MP3
Konkretionswahn, MP3
Deutsche Arbeit, MP3
Deutsche Projektionen, Kritik des Antisemitismus und des Antizionismus
Ansonsten sind zu empfehlen: Die Antisemitismustheorie von Horkheimer/Adorno in der Dialektik der Aufklärung und die von Moishe Postone.
(Ich erwarte natürlich von niemandem, das alles zu lesen und zu hören. Aber wer ich dafür interessiert, findet hier auf jeden Fall Quellen.)
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