Tja, du musst schon zwischen der Sache und der Idee unterscheiden.
Das tue ich durchaus.
Der Sache nach ist es nunmal ein rechtlicher Status, nicht mehr nicht weniger. Alles was dazu kommt, Kultur, Rasse, Nation,... rechtfertigen dieses gewaltförmige Verhältnis.
Eben nicht. Richtig ist, dass all die von mir aufgezählten Dinge - und auchd die von dir hinzugefügte "Rasse" und anderer Mist - dazu herangezogen werden können, das "gewaltförmige Verhältnis" zu rechtfertigen. Das bedeutet aber nicht, dass sie außerhalb dieser Rechtfertigung keine eigenständige Existenz hätten.
Weiterhin widersprichst du dir bzw. bist zumindest etwas doppeldeutig:
Wenn Kultur, Nation und "alles was dazu kommt" das Verhältnis
rechtfertigen, dann wäre das Gewaltverhältnis von dem du sprichst auch nicht abzulehnen.
Wer wäre schon stolz auf seine Staatsbürgerschaft, wenn er wüsste, dass es sich um nichts weiter, als Gewaltunterworfenheit handelt? Richtig, niemand.
Ich fürchte, hier überschätzt du die meisten Menschen maßlos.
Darum denken sich die Leute sowas wie eine gemeinsame Rasse, Nation, Kultur,.... aus, ein großes Ganzes, für das es wert ist, sich den Buckel krumm zu schuften. Immerhin kommt die Nation dann zur ihr verdienten Größe und von der ist man ja angeblich ein Teil.
Nicht nur angeblich und nicht nur darum. Vielmehr ist die Idee der sozialen Identifikation nachweislich älter als die Idee einer Staatsgewalt. Der Mensch hat stets die Tendenz, sich in sozialen Gruppe zu organisieren und sich mit den Gruppen, denen er angehört zu identifizieren.
Da bedarf es keiner mystischen "Leute" die sich irgendwas "ausdenken".
Da es sich bei diesen Dingen um Rechtfertigungstitel handelt, sind sie zugleich Produkt der Herrschaft - und eben nicht der Grund.
Das ist in sich kein logischer Schluß. Wenn die Herrschaft durch die Mittel gerechtfertigt werden könnte - was dahingestellt sei - und diese Gründe nachvollziehbar sind, dann sind sie sehr wohl zulässige Begründung, mithin Grund, der gegebenen Verhältnisse.
Das wird doch gerade an dem Beispiel, das du hervorhebst besonders deutlich: Sprache.
Die Versuche, Sprache zu regulieren sind etwas "typisch Deutsches" (wobei ich mich jetzt auf den deutschen Sprachraum beziehe). Abgesehen von ein paar Elitisten der Acadamie Francaise gibt es kaum soviele Sprachfanatiker wie im deutschen Raum. Staatsunabhängig.
Bevor der Staat alle Gewalt bei sich monopolisierte und sich das Bildungswesen als Werkzeug zur Produktion nützlicher Staatsbürgerschuf, gab es unzählige Dialekte. Gut, die gibt es heute auch noch. Der Unterschied: damals waren diese Dialekte gleichwertig.
Das ist eine Behauptung, für die ich gerne Belege hätte - zumal mich die Zeit, in der es kein Staatswesen gab aber verläßliche Aufzeichnung über Sprachgewohnheiten interessieren würde.
Soweit du - wie Friedrich. das teilweise getan hat - auf Untersuchungen bei Naturvölkern abstellst mag dies etwas anderes sein, hier fehlt mir aber schlicht die Kenntnis über den Hintergrund.
Abgesehen davon:
Ob und wie die verbindende Sprache entsteht ist bei weitem nicht so erheblich wie die Frage, ob sie existiert. Die von dir herangeführten Dialekte haben ebenfalls spezifische Gruppen abgegrenzt. Voraussetzung für eine soziale Gruppe ist nunmal einheitliche Kommunikation.
Davon abgesehen:
Der "Staat" kann das Bildungswesen nicht erschaffen haben, er hat es, wenn überhaupt, dann unter seine Kontrolle gebracht. Lernen und Lehren sind so alt wie die Menschheit.
Der Staat legt aber eine Amtssprache fest. Hochdeutsch war früher genauso ein Dialekt wie Bayrisch.
Nein, Hochdeutsch war nie ein Dialekt. Das Hochdeutsch wie wir es kennen entwickelte sich im Wesentlichen aus dem sächsischen Kanzleideutsch, allerdings ohne des Tonalität. Vielmehr war das Hochdeutsche aufgrund der Verbreitung von Druckerzeugnissen mehr und mehr die Sprache der Gebildeten und diese wurde - im Zuge des Humanismus - zur allgemeinen Sprache erhoben.
Damit wurden Benachteiligungen schwächer gebildeter Personen aufgehoben bzw. vermieden und ein höheres Gesamtsprachniveau erreicht.
Spätestens mit dem Verweis, dass Hochdeutsch als Sprache nunmal in verschiedenen Staaten existiert, fällt dieses Argument dann endgültig.
Inwiefern?
Das Argument lautete, dass ein "Volk" sich durch mehr als nur einen Staat verbunden fühlen kann und es andere Faktoren gibt, die zu berücksichtigen sind als bloße Staatsbürgerschaft.
Dein Argument beweist gerade dies - es kann sein, dass sich ein "Volk" über mehrere Staaten erstreckt (ich würde ja den Ausdruck "Kulturraum" bevorzugen) - umgekehrt können in einem Staat verschiedene Volksgruppen existieren.
Abschließend lohnt sich noch der Hinweis, dass "Workers of all countries unite!" weitaus mehr mit "Proletarier aller Länder vereinigt euch!" zu tun hat als "Sieg Heil!".
Was genau hat dies in diesem Zusammenhang zu bedeuten?
Die Identifikation mit der Sprache haut also nicht so ganz hin. Das scheitert an der Logik, aber darum gehts bei nationalistischen Denkgebäuden ja auch gar nicht. Die gehen eben von einem ganz anderen Punkt aus. Nämlich davon, dass man sich in einer Welt zurecht finden muss, die seinen Interessen ziemlich entgegensteht, weshalb man sich die Dinge so zurecht redet, dass es auf einmal so aussieht, als wäre das, was da so abgeht, Teil seines eigenen Willens. Die Menschen ertragen die kapitalistische Schinderei offenbar besser, wenn sie stolz drauf sind.
Womit wir beim Nationalstolz, dem Nationalismus und anderen Dingen sind, über die wir längst Einigkeit erzielt hatten und haben und die mit dieser Frage allenfalls periphär zusammenhängen.
Zu der Kultur und den Lebensgewohnheiten bleibt irgendwie auch nur zu sagen: was soll Ostfriesentee mit einer bayrischen Weißwurst zu tun haben?
Ums plakativ zu sagen:
Einiges.
Freilich identifizieren sich die Menschen nicht mit der Gewalt. Das wäre auch ganz schön bescheuert. Entweder das, oder masochistisch.
Nein, es wäre vernünftig. Wenn sie den Staat sinnvoll erachten, identifizieren sie sich mit ihm, was ich auch in gewissem Maße tue. Dementsprechend identifiziere ich mich auch mit der durch ihn verkörperten und institutionalisierten Gewalt.
Was daran sollte bescheuert sein?
Natürlich erfinden die Menschen irgendein abstraktes Deutschtum, das jedem aufrechten Toitschen angeblich innewohnt. Aber hier sprechen wir von der Sphäre der Ideen, hier bewegen wir uns bereits im falschen Bewusstsein.
Nein, wir bewegen uns in der Sphäre der Realität. Du kannst die kulturellen Identifikatoren als einem falschen Bewußtsein ENTSPRINGEND klassifizieren, aber sie wegzureden und als bloße Hirngespinste ohne Substanz abzutun, versperrt dir den Blick auf etwaige Handlungsnotwendigkeiten.
Es nutzt nichts, alles zu vereinfachen und zu reduzieren, wenn dabei das Modell nicht mehr die notwendige Synchronität mit der Wirklichkeit aufweist.
Der Sache nach geht es um das sich zurechtfinden mit der Gewalt, die einem angetan wird.
Angetan oder wohlgetan - sie wird jedenfalls getan...